
MOORE BG&P ACCOUNTING NEWSLETTER #2
Der weltweite Ausbruch von COVID-19 hat unser Leben fundamental verändert und fordert uns alle in wirtschaftlicher wie auch persönlicher Hinsicht. Bereits in unserem „Newsletter Accounting“ vom 19. März 2020 haben wir die Auswirkungen von COVID-19 auf die aktuell aufzustellenden bzw. festzustellenden Abschlüsse zusammengefasst und Hinweise zu relevanten Fragestellungen der Bilanzierung und Berichtserstattung gegeben. Mittlerweile hat das Austrian Financial Reporting and Auditing Committee (AFRAC) die Fachinformation „Auswirkung der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) auf die Unternehmensberichterstattung” veröffentlicht und im Frage-Antwort-Stil sieben Themengebiete behandelt. Die nachfolgend beschriebenen Ausführungen beziehen sich rein auf österreichische Gesellschaften bzw. Konzerne mit einem Abschlussstichtag bis zum 31. Dezember 2019. 1. Betrifft der Ausbruch von COVID-19 die Bilanzierung zu Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019?
Nach allgemeiner Ansicht stellen die Auswirkungen von COVID-19 i. S. AFRAC 16 RZ 8 wertbegründende Ereignisse dar. Daher sind dieses Ereignisse bilanziell für Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2019 nicht zu berücksichtigen. Bei Konzernabschlüssen ist die Frage in Abhängigkeit der geografischen Situierung der Tochterunternehmen zu beantworten. Im Falle einer einbezogenen Gesellschaft, die ihren Sitz in der Volksrepublik China hat, ist COVID-19 für Abschlüsse zum 31. Dezember 2019 als werterhellender Sachverhalt denkbar.
Abweichend ist die generelle Fragestellung der Aufrechterhaltung der Annahme der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Prämisse) zu sehen, da hierfür sämtliche bis zur Aufstellung des Abschlusses verfügbaren Informationen über die Entwicklung der Gesellschaft heranzuziehen sind. Ergeben sich demnach aufgrund von COVID-19 derart negative Auswirkungen auf das Unternehmen, dass nicht mehr von der Unternehmensfortführung ausgegangen werden kann, muss bereits der Abschluss zum 31. Dezember 2019 zu Liquidationswerten aufgestellt werden.
2. Wann ist ein Unternehmen in einer Krise bzw. wann kann nicht mehr von der Unternehmensfortführung ausgegangen werden?
Wenn der Fortbestand einer Gesellschaft unmittelbar bedroht ist, wird von einer „akuten Krise“ auszugehen sein. KFS/BW 5 nennt hierfür ua die folgenden Anzeichen: Negatives Eigenkapital, fehlende Alternativfinanzierungsmöglichkeiten, Fälligstellung von Krediten, Lieferanten liefern nur gegen Barzahlung bzw die Verzögerung eigener Zahlungen. ISA 570 erwähnt darüber hinaus u. a. die folgenden Gegebenheiten, welche Zweifel an der Annahme der Unternehmensfortführung aufzeigen können: Verlust von besonders wichtigen Absatzmärkten oder Kundinnen und Kunden, Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit des Personals, Engpässe mit wichtigen Zulieferungen, Einstellung der Geschäftstätigkeit oder Änderungen der gesetzlichen Regelungen mit massiven negativen Auswirkungen auf das Unternehmen.
Bei der Analyse der Krise ist insbesondere die Auswirkung auf die Liquidität und Finanzierung der Gesellschaft zu beachten. Die aktuelle Situation, welche zu Produktionsunterbrechungen bzw. Schließung von Verkaufsstätten, Nachfragerückgängen oder Durchbrechung der Liefer- und Wertschöpfungsketten führt, ist zu berücksichtigen. Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand, die derzeit in massivem Umfang eingerichtet werden (z. B. Kurzarbeitsmodelle oder Notfallfonds), sollen ebenfalls miteinbezogen werden. Basierend darauf sind zumindest Finanzpläne zu entwickeln. Unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten der Zukunft, z. B. der Zeitpunkt der Wiederöffnung von Produktions- und Verkaufsstätten, können durch das Erstellen mehrerer Szenarien angemessen berücksichtigt werden. Ebenso kann die Erstellung einer formalen Fortbestehensprognose nötig werden.
3. Welche Angaben sind im Anhang zu machen?
Im Anhang sind gemäß § 236 UGB die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu erläutern. Im Normalfall erfolgt dies basierend auf der Fortführungsannahme des Unternehmens. Sollten sich aufgrund von COVID-19 wesentliche Unsicherheiten zur Annahme der Unternehmensfortführung ergeben, sind diese in Erfüllung der Generalnorm gemäß § 222 Abs 2 UGB anzugeben. Der reine Hinweis auf die Anwendung der Going-Concern-Prämisse ist daher um die konkreten Umstände zu erweitern, welche zur Sicherung dieser eingesetzt werden. Dabei sind jene Umstände, die das Unternehmen in seinem Fortbestand gefährden sowie jene Handlungen zu beschreiben, die den Fortbestand des Unternehmens sicher sollen. Für Kleinstgesellschaften, welche keinen Anhang zu erstellen haben, sollen diese Angaben in den Jahresabschluss aufgenommen werden.
Wesentliche, wertbegründende Ereignisse zwischen dem Abschlussstichtag und dem Aufstellungsdatum müssen von mittelgroßen und großen Unternehmen gemäß § 238 Abs 1 Z 11 UGB im Anhang erläutert werden (Nachtragsbericht). Aufgrund der Massivität der derzeit vorliegenden Maßnahmen ist idR jedenfalls davon auszugehen, dass COVID-19 als ein solch „wesentliches Ereignis“ zu qualifizieren ist. Somit sind die für das Unternehmen relevanten Folgen von COVID-19 zu beschreiben und auch eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen anzugeben. Sofern in einer Frühphase noch keine finanziellen Auswirkungen angegeben werden können, ist dies im Anhang festzuhalten.
4. Welche Angaben sind im Lagebericht zu machen?
Der Lagebericht hat gemäß § 243 Abs 3 Z 1 UGB auf die voraussichtlichen Entwicklungen des Unternehmens einzugehen (Prognosebericht). Gemäß § 243 Abs 1 UGB sind auch wesentliche Risiken und Unsicherheiten zu beschreiben, die auf das Unternehmen einwirken. Bei beiden Angaben sind sämtliche Tatsachen zu berücksichtigen, die bis zum Aufstellungsdatum des Abschlusses bekannt geworden sind. Daher ist COVID-19 in beiden Fällen zu berücksichtigen. Durch die Dynamik der laufenden Entwicklungen mag es derzeit schwierig sein, konkrete Prognosen abgeben zu können; nicht zuletzt deshalb, da es aktuell nicht valide absehbar ist, ab welchem Zeitpunkt die Geschäftsschließungen wieder aufgehoben werden. Folglich kann stets nur die bestmögliche Einschätzung der Dauer und Auswirkung von COVID-19 zum aktuellen Zeitpunkt abgegeben werden.
Diese hat nicht die Anforderung der „allumfassenden absoluten Wahrheit“ zu erfüllen, muss aber auf Basis der objektiv vorliegenden Information, wie beispielsweise Veröffentlichungen der Bundes- oder Landesregierungen, Behörde oder Erfahrungen aus anderen Ländern plausibel nachvollziehbar sein.
5. Was ist bei der Feststellung von Abschlüssen zum 31. Dezember 2019 zu beachten?
Wurden Abschlüsse vor Ausbruch der COVID-19-Krise aufgestellt, werden in Anhang und Lagebericht die bisher beschriebenen Angaben nicht enthalten sein können. Erfolgt die Feststellung der Abschlüsse durch die Organe zum aktuellen Zeitpunkt, stellt sich die Frage, ob das Fehlen dieses wesentlichen Sachverhalts der Feststellung entgegensteht. Da es sich bei COVID-19 allerdings um wertbegründende Ereignisse handelt, ist keine Anpassung nötig. Die Abschüsse können in der vorliegenden Fassung („ante COVID-19“) festgestellt werden.
Allerdings sollte die Geschäftsleitung die prüfenden und feststellenden Organe informieren, dass die Auswirkungen von COVID-19 im vorliegenden Abschluss nicht berücksichtigt sind und darauf hinweisen, dass zur Wahrung ihrer Interessen der Abschluss geändert bzw. um die Auswirkungen von COVID-19 ergänzt werden kann. Dies würde neben der Neuaufstellung des Abschlusses bei prüfungspflichtigen Einheiten die Notwendigkeit einer Nachtragsprüfung nach sich ziehen.
6. Was ist bei Ergebnisverwendungsbeschlüssen zu beachten?
Gemäß § 238 Abs 1 Z 9 UGB ist im Anhang mittelgroßer oder großer Gesellschaften eine Angabe durch die Geschäftsleitung über den Vorschlag zur Verwendung des Ergebnisses zu machen (Ergebnisverwendungsvorschlag). Grundsätzlich wird diesem Vorschlag i. d. R. im Zuge der Feststellung des Abschlusses gefolgt und durch die Gesellschafterinnen und Gesellschafter ein entsprechender Gewinnverwendungsbeschluss gefasst. Sollten Sie Gesellschafterinnen und Gesellschafter allerdings eine vom Ergebnisverwendungsvorschlag abweichende Gewinnverteilung vorsehen, führt dies zu keiner Verpflichtung, den aufgestellten Abschluss anzupassen. Somit ist es unkritisch, wenn die Gesellschafterinnen und Gesellschafter beispielsweise vom Vorschlag einer Gewinnausschüttung absehen und aufgrund der COVID-19-Krise zur Stärkung des Unternehmens den Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung beschließen. Sollten die Auswirkungen der Krise für das Unternehmen im Endeffekt glimpflich gewesen sein, kann ohnehin jederzeit durch die Gesellschafter ein neuer Ausschüttungsbeschluss gefasst werden. In diesem Zusammenhang ist auch § 82 Abs 5 GmbHG zu beachten, der eine de facto Ausschüttungssperre für Bilanzgewinne normiert, die seit der Aufstellung durch Verluste verzehrt wurde.
Quellenangaben entnehmen Sie bitte dem PDF-Newsletter.
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